Vom Norden und vom Süden tauchen immer mehr TWIKE auf der Saalhöhe auf. Den Treffpunkt auf der Passhöhe zu wählen ist ja nicht sonderlich schlau, denn wenn man sich mit der Reichweitenprognose verrechnet, dann wird es hart. Andererseits hatte man ja 20 Jahre Zeit, um sein Fahrzeug kennen zu lernen. Für einige der Fahrzeuge war diese Strecke die erste grosse Herausforderung auf der Heimfahrt, nach den umfassenden Instruktionen und dem Fahrkurs am Kirchrain in Gelterkinden.
Heute treffen sich 52 TWIKE, welche mit mehr oder weniger Zwischenladungen aus St. Moritz, Locarno, Schaffhausen aber auch aus Freiburg, Marburg und Leun teilweise bis über 400 km angereist waren.
Ich mache mich schon kurz nach 9h auf den Weg, weil um 10h die Ladeinfrastruktur stehen muss; dachte ich sei der Erste auf dem Berg. Vor der Baustelle sehe ich aber bereits das silberne TWIKE aus Deutschland. Je weiter die Anreise desto pünktlicher die TWIKE. Auch Francois kommt schon früher und strahlend auf dem Pass an, denn er ist gleich mit nur einer Zwischenladung durchgefahren und die Spannung ist immer noch weit im grünen Bereich.
Die beiden Steckdosen aus der Restaurantküche sind dank den richtigen Adapterkabel schnell angezapft und 12 TWIKE können mit je 7A laden.
Bald ist der ganze Platz mit TWIKE vollgeparkt. Zum Glück hat es auf der anderen Strassenseite eine Baustelle mit unendlich vielen Steckdosen, sodass bis am Mittag alle TWIKE mehr als genug Strom haben für die Baselbieterrundfahrt . . . Bei dem Budget von xx Mio für den Neubau der Strasse lassen sich die paar kWh verschmerzen, rsp. merkt niemand.
Einige TWIKE tarnen sich perfekt im Wald und in der Stadt (andere Seite).
Andere fallen auf: Der gelbe Löwe steht für den Technologiesprung zu den Lithium-Ionen Akkus (LION). Hier hat in den letzten 20 Jahren der grosse Fortschritt stattgefunden. Das TWIKE hat sich damit vom Haustier (das man jeden Abend spazieren fahren musste, damit der NiCd-Akku kein Memory Effekt bekommt) zum Nutztier gemausert.
Entsprechend ist die Reichweite und das Lademanagement so zuverlässig, dass alle das Ziel erreichen, fast alle: Dann klingelt doch noch mein Telefon. Birgit steckt mit 310V noch in Kienberg fest. Endlich ein Einsatz für unseren Besenwagen. Andy rückt mit dem Pferdeanhänger aus. Doch die Rampe bleibt oben, denn inzwischen konnte sie in der Metzgerei genügend Strom tanken, um wieder mit eigener Kraft auf den Berg zu fahren.
Fünf nach Zwölf sind alle abgenabelt, Gipfel und Kaffee bezahlt und der Konvoi setzt sich in Bewegung. Genau ein einziges Lichtsignal hat es auf der ganzen Strecke und das ist bei der Baustelle beim Restaurant an der Saalhöhe. Die Frechen fahren bei rot, die Braven warten, sodass der Start die Schlange schon etwas auseinander reisst, macht aber nichts, denn die Strecke ist fast ohne Verkehr, sodass man gemütlich fahren und die Kurven in Slow Motion geniessen kann, während die Schlange hinten aufholen kann.
Weiss sind die meisten TWIKE, aber ein Farbtupfer dazwischen macht sich sehr gut.
Bei leichtem Regen rekuperieren wir die Serpentinen der Saalhöhe hinunter.
An der Steigung Richtung Anwil hat man erstmals einen Überblick im Rückspiegel. Wie lange ist eine 52-TWIKE Schlange? Hier sind die Grenzen der Fotografie, denn mehr als 20 TWIKE passen einfach nicht auf den Bildschirm, oder sie sind dann nur noch wenige Pixel gross.
Bevor der Kopf der Schlange bei der Kamera ist, springt Michael schnell wieder zu Gsundi ins TW 1007 und saust zum nächsten Picture Stop voraus.
Und jetzt gibt es richtige Achterbahn auf den Kurven zwischen Anwil und Oltingen.
Mal links, mal rechts, mal rauf, mal runter. Locker gleitet die Kapsel über die welligen, schmalen Strassen. Nicht ganz zufällig fühlt sich das TWIKE hier zuhause, denn bei der Entwicklung sind wir diese Strecke dutzende Mal gefahren, bis das Feeling stimmte.
Auf der langen ebenen Strecke mit Panoramablick zwischen Oltingen und Zeglingen ist der ersten Zwischenstop. Aufgreiht mit 20 cm Abstand können wir erstmals versuchen zu zählen. Zeit um nochmals all die Fahrzeuge genau anzuschauen.
Der Prototyp TWIKE IV für den X-Prize wurde von FINE speziell für diesen Anlass aus Rosenthal hergerichtet und mitgebracht.
Das TWXP muss jeder gefahren haben. Gsundi (unser Skeptiker im Amt) darf sich selbst in den Pilotensessel setzen, für alle anderen pilotiert Wolfgang die Rakete und regelt die Kurvengeschwindigkeit altersabhängig je nach Passagier.
Alle anderen sind gleich, das macht es einfacher bezüglich Wartung und Ersatzteile. Nur drei TWIKE gibt es mit den Flügeltüren. Eine Spezialversion gebaut für die Donau Challenge 2005.
Bei Dirk muss jedes Detail stimmen. Sein TWIKE bringt es nicht nur von aussen auf den Punkt, auch die Ausstattung wurde in allen Details perfektioniert.
Der Tatzelwurm in der Kirschenallee (leider bereits alle Kirschen abgeerntet).
Die Seitenansicht ist nach wie vor die Schokoladeseite, vor allem mit der Plexischeibe stimmen das Profil und die Reflexionen der Wolken.
Wenige Kilometer weiter beim steilen Anstieg Richtung Häfelfingen: Ein Blick in den Rückspiegel eröffnet ein eindrückliches Bild. Man sieht die Perlenkette von ausserirdischen Objekten, welche ins friedliche Dorf Zeglingen eindringen und auf der anderen Seite wieder hinaus. 52 TWIKE säuseln fast unbemerkt durch die Hügel . . . aber eben das Problem mit der Pixelgrösse, man kann nur ahnen, dass es TWIKE sind.
Vorweg wieder das TW 179, das sich rasch dem Fotografen nähert. Bei 20% Steigung gilt es den Schwung zu halten, denn je nach Beladung und Motor ist das Anfahren am Berg auch für langjährige Piloten eine Herausforderung. (Nur zur Not kann der Beifahrer etwas schieben.)
Beim Bad Ramsach nochmals einen kurzen Fotohalt. Wir sind am höchsten Punkt unserer Fahrt und blicken bis in den Schwarzwald hinüber. Die Deutsche Telekom meldest sich auch bereits mit einem Piep-Piep auf dem Handy und informiert über die aktuellen Roamingtarife.
Dies wäre ein schöner Ort für ein Eis, aber mit eiserner Disziplin geht es weiter sobald das letzte TWIKE eingetroffen ist. Ein paar haben die Abzweigung verpasst, aber halb so schlimm, denn alle Strassen, die bergab gehen, führen nach Gelterkinden. Daher ist dies die ideale Teststrecke für Reichweitentest.
Im Diegtertal sind wir wieder in der Zivilisation. Parallel zur Autobahn fahren wir nach Sissach. Ein etwas älterer Jahrgang kreuzt uns. Noch lange riecht man die Abgaswolke - man stelle sich vor alle Autos würden so viel Gestank hinterlassen. Das wäre ja richtig unerträglich. . . . wie dazumal vor 20 Jahren! Zum Glück leben wir heute.
Durch den Strichcode in Sissach. Hier musste man vor 20 Jahren noch auf der richtigen Seite geboren sein, denn 10'000 Autos und Lastwagen blockierten damals täglich das Dorf. 300 Mio CHF später holpern wir mit 20 km/h durch die Hauptstrasse. Es hat Bäume und Gartenrestaurants . . . und Parkplätze (für ein Parkhaus hat das Budget dann nicht mehr gereicht).
Der historische Kirchrain ist nicht nur eines der ältesten Häuserreihen im Oberbaselbiet, sondern die Geburtsstätte des TWIKE. Hier entstanden in der Scheune die ersten Prototypen und fanden die Verkaufspräsentation aber auch die Entwicklung der Serie statt.
Ernst war damals vom Konzept begeistert, bekam sein TWIKE 1996, fuhr damit zum Nordkap und fährt immer noch. Unter dem Arm das Fotoalbum. In der ehemaligen Werkstatt konnte man den Austellungsprototypen TWIKE II und 4 Bildershows geniessen.