7.8.2015
Die letzte Etappe ist die längste, 320 km nach Garmin. Trotz Hitzewarnung starten wir (erst) um 10 Uhr Richtung Westen.
Durch Augsburg der übliche Ampelparcours. Mit 3 TWIKE ist es fast unvermeidlich, dass das letzte ab und zu hängen bleibt oder bei Rot über die Kreuzung fährt. Zum Glück ist bisher nichts passiert.
Eine Lösung wäre den "virtual tailer mode" einzubauen, wo mit elektronischer Abstandsregelung die TWIKE mit wenigen Zentimeter Abstand hintereinander her fahren könnten. Technisch eigentlich heute kein Problem, müsste einen neuen Controller entwickeln und gute Bremsen, die elektronisch betätigt werden können . . . eine Frage der Zeit, bis Peter das bauen kann. Der Vorteil wäre, dass man in den hinteren TWIKE gemütlich die Zeitung lesen kann und der Luftwiderstand deutlich kleiner wäre . . . schliesslich konnte man bereits vor 45 Jahren auf den Mond fliegen.
Die westdeutschen Strassen sind Luxus. Am Anfang der Reise hatten wir uns ernsthafte Gedanken gemacht, ob man die Federung des TWIKE verbessern müsste, denn mit den Kopfsteinpflastern und Buckelpisten wurden wir heftig durchgeschüttelt. Das Thema ist nun wieder vom Tisch und wir sausen mit 75 - 80 km/h über die nur wenig befahrenen Bundesstrassen. Lüftungsklappen, die den Wind besser lenken lassen und eine optimierte Aerodynamik wären heute auf dem Wunschprogramm, Klimaanlage natürlich auch, Strom haben wir mehr als genug in den Akkus. So ein kleiner Kompressor wäre doch gar nicht so unmöglich. Mit der Pedalleistung von 150W könnte man eine 500W Wärmepumpe betreiben, welche etwas kühlt, damit man beim treten nicht so schwitzt . . . vielleicht doch nicht so schlau.
120 km später sind wir in Biberach. Auf dem LEMnet ist eine Typ 2 Ladesäule im Parkhaus P2 zu finden. Auf Anhieb tauchen wir ins 2. Untergeschoss ab und finden die Ladestation. Das kühle Parkhaus ist perfekt und die Parkgebühren sind mit 1.60 Euro pro TWIKE für 2.5h äusserst grosszügig.
Die rechte Station funktioniert mit unserem neuen Adapterkabel. Jedes TWIKE bekommt eine Phase, sodass wir mit je 3 kW oder 50 km/h laden können. Gross steht 2 x 22kW, also keine Hemmungen oder Bedenken. Die 63A Steckdose in der Ecke bestätigt, dass hier die richtigen Kabel drin sein sollten. Falsch geglaubt, dann nach ein paar Minuten Klack und alle drei TWIKE sind stromlos. Eine Sicherung ist nirgends zu finden. Die Typ 2 Ladestationen bleiben ein Mysterium. Eine genormte Steckdose heisst noch lange nicht, dass in der Box dahinter jeder wieder was anderes hinbastelt. Eine Prüfprozedur und Qualitätskontrolle der Typ 2 Steckdosen wäre ein dringendes Thema.
Plan B ist die zweite Steckdose, die noch funktioniert, allerdings nur mit dem einen Adapterkabel und nicht mit dem anderen, obwohl elektrisch beide gleich sein sollten (?). Immerhin, wir geben jedem TWIKE mal 10A auf Nummer sicher und spähen mit unserem kreativen Steckdosen-Suchblick in der Umgebung herum. Eine CEE 32A findet Tanya gleich um die Ecke, leider kein Strom drauf. Zwei weitere Schukodosen finden wir auch noch, die sogar eingeschaltet sind und können so noch die Zusatzladegeräte vom TW 001 und 1007 einstecken. Damit sind wir bei 50km/h oder 2.30h Ladezeit. Das passt für einen Stadtrundgang und ein gemütliches Mittagsessen. Das Gute: der Strom ist kostenlos von den Stadtwerken Biberach gesponsert, sodass wir uns kein schlechtes Gewissen machen müssen wenn wir neben den Ladesäulen noch "wilden" Strom aus den Schukodosen ziehen.
Biberach
www.biberach-riss.de ist unsere letzte Stadt in Deutschland und herausgeputzt wie alle, die wir bisher gesehen haben. Da hat Frau Merkel in den letzten Jahren wirklich ihr Land gut herausgeputzt.
Wir schleichen immer im Schatten den Häusern entlang, denn inzwischen brennt die Sonne bei über 32C im Schatten. Gemüselasagne und dann natürlich ein Eis. Schon piept das Handy von Gsundi und meldet, dass das TW 1007 voll geladen ist.
Die letzten 203 km werden dank einer (letzten) Umleitung 213 km, sodass wir nach 336 km bei Sonnenuntergang Gelterkinden erreichen.
17 Tage und fast 2000 km später: Die drei braven TWIKE haben trotz Rüttelpisten und 36 C ohne ein Problem die Reise gemeistert. Nur die Scheiben haben wir einmal etwas abstauben müssen.
Fazit der Reise:
1'930 km und 95 kWh bei total 39 Stunden Fahrzeit. Wenn man bedenkt, dass unsere Solaranlage alleine am letzten Tag gut das Doppelte dieser Energie ins Netz geliefert hat, ist Reisen im eigenen Fahrzeug und Ökologie definitiv kein Widerspruch mehr.
Literaturempfehlungen:
Als Vorbereitung der Reise habe ich das Buch "Faserland" von Christian Kracht gelesen. Eine Bericht einer Deutschlandreise der anderen Sorte, Pflichtlektüre in der Oberstufe und absolut
nicht zum lesen empfohlen.
In Rostock habe ich das Buch "Deutschlandreise" von Roger Willemsen mitlaufen lassen (war im Museum auf einem Tisch ausgelegt mit der Notiz "zum mitnehmen"). Trotz Popularität des Autors eher als Bettlektüre geeignet (ersetzt Schlaftabletten).
Die Literatur beschäftigt sich eher mit den üblen Seiten des Landes, die Museum mit Kriegsverbrechen, Tragödien und Katastrophen. Wir habe versucht die Schönheit des Landes zu sehen und da hat Deutschland wirklich vieles zu bieten.
Als wir die Grenze überquerten und nach Gelterkinden einfuhren, musste ich erstmals realisieren, dass die Schweiz langsam aber sicher den Anschluss verliert. Wir werden zum Entwicklungsland. Die Strassenbeläge lösen sich auf und sind holpriger als in Ostdeutschland, die Dorfzentren sind in den letzten 30 Jahren höchstens mit einem neuen Kreisel und einem Fussgängerstreifen beglückt worden, nicht für die Bewohner, sondern für die Autos.
Das ist bedenklich, aber noch nicht zu spät, denn das Geld von Europa liegt ja inzwischen alles in der Schweiz, man müsste nur noch das Richtige damit machen.